Monday, November 4, 2013

‚Die unbequeme Wahrheit’ des Todes von Matthew Shepard


‚Die unbequeme Wahrheit’ des Todes von Matthew Shepard

Von Andrea Peyser
Stephen Jimenez hatte sich nicht vorgenommen, der gefährlichste Journalist der Welt zu werden.
Oder genauer gesagt, der gefährlichste schwule Journalist.
Aus Steinen gelegtes Kreuz unter dem Zaun in Laramie, Wyoming, wo Matthew Shepard mit einer Pistole geschlagen und dann in eine Stellung gehängt wurde, die einer Kreuzigung ähnelte.
Aber Jimenez hat eine Geschichte ausgegraben, die wenige Menschen hören wollten. Und diese Geschichte stellt alles in Frage, was Sie glauben, über das Leben und den Tod einer der führenden Ikonen unserer Zeit zu wissen.
Matthew Shepard, College-Student. Ermordet mit 21 Jahren, weil er schwul war.
Oder etwa doch nicht?
Jimenez’ Buch mit dem englischen Originaltitel “The Book of Matt: Hidden Truths About the Murder of Matthew Shepard,” („Das Buch Matt: Versteckte Wahrheiten über den Mord an Matthew Shepard”), das vor einem Monat erschien, stellt sämtliche kulturellen Mythen rund um Shepards kurzes Leben und seinen unsäglichen Tod in Frage.
Nach etwa 13 Jahren des Nachforschens einschließlich Interviews von über 100 Quellen, inklusive Shepards Mördern, stellt Jimenez eine ungeheuerliche Andeutung auf:
Der grausame Mord, der diesen Monat vor 15 Jahren geschah, war kein Hassverbrechen.
Der Antrieb für Shepards tragischen und vorzeitigen Tod könnte nicht seine sexuelle Orientierung, sondern Drogen gewesen sein. Denn Shepard hatte wahrscheinlich eingewilligt, Methamphetamine (Crystal Meth) gegen Sex zu tauschen. Und das brachte ihn um.
Häresie.
Warum das jetzt hervorkramen? Jimenez’ Antwort überraschte mich.
“Als schwuler Mann”, sagte er, “fühlte ich, dass es moralisch richtig war, es zu tun.“
Aaron McKinney und Russell Henderson, jetzt lebenslang wegen Mordes in Haft, waren keine Homophoben, schreibt Jimenez. Shepard wurde aus einer Bar gelockt, dann in die Außenbezirke von Laramie, Wyoming, gefahren, wo er ausgeraubt wurde. McKinney schlug ihn wild mit dem Lauf einer .357er Magnum. Die Männer hängten ihn dann barfuß, frierend und kaum noch am Leben, auf einen Zaun, in einer an eine Kreuzigung erinnernden Pose. Er starb sechs Tage später.
Stephen Jimenez, Autor von „The Book of MATT“
Aber McKinney war kein Fremder. Seit einer Woche vor dem Mord mit Meth zugedröhnt, schreibt Jimenez, war McKinney wahrscheinlich Shepard’s schwuler oder bisexueller Liebhaber.
„Zu verstehen, wer Matthew wirklich war”, sagt Jimenez, „die Auffassung von ihm als einem Märtyrer und einer Ikone zu ändern, wird für Schwulenrechte nicht schädlich sein.“
“Das glaube ich einfach nicht. Ich denke nicht, dass wir irgendetwas dabei zu verlieren haben, wenn wir die Wahrheit sagen.“
US-Präsident Obama mit Matthew Shepards Mutter Judy Shepard
Aktivisten, Journalisten, Politiker und Filmemacher, die, mit den besten Absichten, Karrieren auf Shepards Mord aufgebaut haben, sind in Rage. Aber Jimenez beharrt darauf, dass er Shepards untadeliges Image gegen eine ernsthafte Debatte über Drogen eintauschen möchte. Meth, sagt er, plagt die Schwulenszene und bringt eine Pest an äußerster Gewalt und neuen HIV-Infektionen mit sich – und Schwulenhass.
Wenn sein Buch auch nur ein Leben rettet, dann ist es das wert.
Der 60-jährige, in Brooklyn, New York geborene Jimenez, der zwischen New York und Santa Fe, New Mexico, hin- und herpendelt, sieht seine Arbeit den Attacken von Organisationen von der “Gay and Lesbian Alliance Against Defamation” (Schwule und lesbische Allianz gegen Verleumdung) bis zur Matthew Shepard Stiftung ausgesetzt, die dabei halfen, 2009 im Namen von Shepard und James Byrd Jr., dem Schwarzen, der 1998 in Texas mit einem Pickup zu Tode geschliffen wurde, ein Bundesgesetz gegen „Hass-Verbrechen“ durchzusetzen.
Im Jahr 2004 beauftragte das New York Times Magazin zunächst eine Arbeit von Jimenez und stornierte dies dann (Der Herausgeber sagte, sie sei nicht brauchbar gewesen). Aber die Sendung für investigativen Journalismus des US-Fernsehsenders ABC namens „20/20“ sendete einen Beitrag, den Jimenez produziert hatte, und dieser gewann zwei bedeutende TV-Preise. Dennoch beschuldigte der „Hatewatch“-Blog des Southern Poverty Law Center [eine einflussreiche antikonservative amerikanische Organisation; Anm.] Jimenez kürzlich, als Schoßhund „rechtsgerichteter Experten, Radiomoderatoren und Blogger“ zu fungieren.
In der US-Hauptstadt Washington DC bedrängten schwule Aktivisten Buchgeschäfte, die Auftritte von Jimenez abzusagen. Soviel zur freien Meinungsäußerung.
“Es ist beleidigend”, sagt Jimenez.
Ich finde es beleidigend, dass ein schwuler Journalist nach anderen Maßstäben gemessen werden soll als ein heterosexueller. Aber bei Jimenez wurde von der Matthew-Shepard-Industrie jedes Wort durchleuchtet, um seine Intentionen zu ermitteln. Ist er ein Verräter der schwulen Sache?
Jimenez ist nicht der Feind. Er ist einfach nur ein Mensch, der eine unbequeme Wahrheit erzählt, so wie er sie gesehen hat.
Er sollte stolz sein.
Übersetzt durch: Yair
Empfehlen Lesen:

No comments:

Post a Comment